Language
Persons
Origin
1937-02-19
Physical description
Format: Non digital
Contents
Installationsföreläsningen ger den nyutnämnde läraren tillfälle att låta en
större allmänhet stifta bekantskap med den vetenskap, han skall företräda. Man
kan karakterisera varie vetenskap å ena sidan genom dess objekt och å den
andra genom dess metoder. Då jag beslutat mig för att i dag tala om med den
psykologiska metodiken sammanhängande frågor, så har det skett av följande
skäl. Det är. när allt kommer omkring den metodiska stringensen, som utgör det
fasta skiljemärket mellan verklig forskning och dilettantism. Nu hör
psykologien på grund av dess popularitet till de vetenskaper, som alltid löper
risk att råka i händerna på dilettanter. Hur man måste gå fram i psykologisk
forskning, om man vill göra anspråk på vetenskaplighet, det är den fråga, som
jag här skall försöka besvara.
Jag tillägnar min föreläsning Olof Eneroths minne, minnet av den man, som
genom sin varmhjärtade och storslagna donation möjliggjort upprättandet av
den nya lärostolen. I Eneroths testamente heter det, att professuren skall
omfatta "läran om sambandet mellan naturlagarna och människans sedliga och
fysiska natur med särskild hänsyn till det uppväxande släktets uppfostran till
andlig och kroppslig hälsa" genom att låta min kommande gärning genomsyras
av en sådan "ldealismus der Nähe".
Vid detta tillfälle, då tanken dröjer vid det förflutna, är det mig ett behov att
också nämna tre andra män till vilka jag känner mig stå i tacksamhetsskuld, tre
forskare som på ett avgörande sätt bestämt min vetenskapliga utveckling. Jag
syftar på fysiologen Ewald Hering, experimentalspykologen MUller samt
filosofen E. Husserl. Den moderna psykologien har av dessa tre forskare
mottagit riktgivande impulser. Herings arbetssätt har alltid synts mig
förebildligt inom sinnespsykologien, Ml.iller har infört mig i den experimentalpsykologiska
forskningen och Husser I förmedlat min bekantskap med den
fenomenologiska metoden. Det är de tre av dessa forskare företrädda
metoderna, som Jag nu har för avsikt att utveckla. Min framställning har på
samma gång karaktären av en vetenskaplig trosbekännelse, och, då man endast
förmår på ett tillfredsställande sätt avlägga en sådan bekännelse på sitt
modersmål, så måste jag be mitt ärade auditorium om tillåtelse att i
fortsättningen få begagna mig av tyska språket.
Jede Wissenschaft fängt damit an - sofern sie Uberhaupt systematisch vorgeht -
ihren Gegenstand resp. ihre Gegenstände zu beschreiben. Vorurteilslose
Beschreibung der Bewusstseinsinhalte ist nun das, was die phänomenologische
Methode innerhalb der Psychologie leisten will. lch betone "vorurteilslos", denn
gerade eine solche Forderung ist v1el schwerer zu erfUllen, als man denkt. Man
sollte glauben, nichts sei uns so leicht zugänglich wie unser Bewusstseinsinhalt.
In Wirklichkeit unterliegen wir grossen lrrtUmern, wenn wir uns seiner
bemächtigen wollen. Man könnte hier wohl im Sinne von Francis Bacon von
Idolen sprechen, die den psycholog1schen Sachverhalt verzerren oder die uns
einfach tatsachenblind machen. Die Vorurteile mögen sozialen, weltanschaulichen,
religiös-dogmatischen und noch anderen Bezirken des kulturellen Lebens
entstammen. Aber auch das kommt vor, dass sie in den Naturwissenschaften
etwa in der Physik und der Physiologie ihre Wurzel haben. Da das, was mit
phänomenologtscher Methode und ihren Schw1erigkeiten gemeint 1st, am
leichtesten im Gebiet der Sinneswahrnehmung aufgew1esen werden kann, so
bitte ich um die Erlaubnis, ihr Wesen durch Be1spiele aus diesem Gebiet zu
illustrieren.
Wenn sie in einem Lehrbuch der Psychologie nachlesen, was es Uber die Farben
zu berichten hat, so werden sie finden, dass dabei 1mmer das Farbenspektrum
das Zentrum bildet, um welches die ganze Farbenlehre aufgebaut ist. Dieses
Verfahren fUhrt unter anderem zu dem altbekannten Axiom der Farbenpsychologie,
dass die Mannigfaltigkeit der Farben dreidimensional sei, also etwa durch
ein Oktaeder dargestellt werden könne. Dieses Axiom hat auch seinen Einzug in
die LehrbUcher der Physik gehal ten. Doch muss ge sagt werden, dass die
phänomenologische Analyse der Farben die UngUltigkeit dieses Axioms
erwiesen hat. Die Welt der Farben ist ganz sicher mehr als dreidimensional.
Was man nämlich ganz Ubersehen hatte, als man vom Spektrum bei der
Grundlegung der Farbenpsychologie ausgrng, war die Tatsache, dass im
Spektrum nur Farben einer bestimmten räumltchen Erscheinungsweise
angestroffen werden und zwar die sogenannten Flächenfarben. Es gibt daneben
noch Farbensysteme anderer räumlicher Erscheinungsweisen, wie etwa die der
Oberflächenfarben und der Raumfarben. Und diese sind keineswegs fUr die
Psychologie weniger wichtig. Eine weitere Folge der Bevorzugung des
Spektrums als Ausgangspunkt fUr die Farbenpsychologen war die völlige
Vernachlässigung des Beleuchtungsproblems im psychologischen Sinn. Erst die
Farbenphänomenologie hat der Tatsache zur wissenschaftlichen Anerkennung
verholfen, dass es Beleuchtungsphänomene im subjektiven Sinne gibt. Sie
postulieren sogar einen Primat der Beluchtungswahrnehmung gegenUber der
Wahrnehmung der einzelnen Lokalfarben. Dass ein solcher Primat besteht,
haben die Maler seit langem gewusst, doch war die Anerkennung der Tatsache,
dass Beleuchtung Uberhaupt als psychologisches Erlebnis möglich sei gegenUber
herrschenden Vorurteilen keineswegs leicht durchzusetzen. Ich bitte meine
AusfUhrungen nicht so zu deuten, als hätte ich so etwas wie eine Animosität
gegen das Spekrum. Es sei ausdrUcklich anerkannt, dass es nach wie vor ein
hervorragend bequemes Untersuchungsmittel fUr Fragen der physiologischen
Optik bleibt, worauf ich nur hinweisen musste, das ist die Gefahr, der man
wirklich erlegen ist, als man sich durch das Spektrum den Blick fUr den
tatsächlichen Reichtum der Farbenphänomene nehmen liess. - Bet Untersuchungen
Uber die Wahrnehmung des Auges ist man aber nicht nur
physikalischen sondern auch physiologischen Vorurteilen zum Opfer gefallen.
Der Physiolog ist geneigt die Möglichkeit eines Sinnesphänomens zu verneinen,
fUr welches sich nicht ein entsprechender Sinnesreiz wtll nachweisen lassen, und
der Psycholog machte sich in der Regel diese Auffassung zu eigen. Aber diese
Auffassung ist unzutreffend, sie ist ein physiologisches Vorurteil. Nehmen sie
das Beispiel des leeren Raums, Sicher ist, dass der leere Raum, der zw1schen
uns und den Dingen liegt, in der Regel kein Uberschwelliges Licht ins Auge
sendet. Er ist also nicht reizartig repräsentiert. Darum sollte er entweder von
Dunkelheit erfUllt erscheinen oder Uberhaupt nicht wahrnehmbar sein. Man ist
diesem Dilemma, das man sich selbst durch das genannte physiologische
Vorurteil geschaffen hat, in der Regel dadurch ausgewichen, dass man sagte,
der leere Raum sei Uberhaupt nicht eine richtige Wahrnehmung, sondern sei nur
eine Vorstellung. Eine solche Behauptung ist unzutreffend. Wir lassen als Phänomenologen
nicht an dem Tatbestand rUtteln, dass uns der leere mi t L1cht
erfUIJte Raum als pos1tives sinnl1ches Phänomen gegeben sei. Selbstverständlich
machen wir uns nach solcheiner Feststellung auch als Phänomenologen
Gedanken darUber, wie das Phänomen des lichterfUllten leren Raumes erklärt
werden könne und w1r entdecken dann, dass es sich um ein sogenanntes
Kovar iantenphänomen handelt. lch muss es mir versagen, das Wesen solcher
Kovariantenphänomene zu schildern. Oas ist auch in diesem Zusammenhang
ntcht w1chtig. - D1e Beispiele, die 1ch fUr den Nachweis angefUrt habe, dass man
in der Sinnespsycholog1e infolge von physikalischen und physiologischen
Vorurtetlen sich den Blick fur die echten Phänomene s1ch hat trUben lassen,
liessen stch beliebig vermehren. Aber das, was ich ausgefUrt habe, dUrfte
genUgen, um klar zu machen, was die Phänomenologie unter der Forderung
vorurtetlsloser Beschriebung versteht.
Phänomenologische Psycholog1e ist Bewusstsetnspsychologie kat exochen, d.h.
sie ist ganz und gar eingestellt auf die bewussten Vorgänge. Quod non est in
actis, non est in mundo, dieses Prinzip auf die Psychologie angewandt besagt:
was nicht seine phänomenologische Anerkennung gefunden hat, existiert nicht
in der Welt der wissenschaftl!chen Psychologie. D1e Welt wird durch die Arbeit
des Phanomenologen reicher, man könnte fast sagen, dass diese Arbeit erst die
psych1schen Phänomene schafft, mindestens werden sie erst an das Licht des
wachen Bewusstseins geboren, und wenn etn Sokrates setne Arbeit mit der des
Geburtshelfers verglichen hat, so dUrfte sich auch der Phänomenolog seines
solchen Vergleichs nicht schämen. Man kann die bewusstmavhende Arbeit des
Phänomenologen durch eine we wenn auch nicht ganz zutreffende Analogie aus
der Psychologie der Zeugenaussage 11lustrieren. Man fragt Jemanden, ob die 6
auf einer Uhr eine arabische oder römische Ziffer se1. Die meisten Menschen
mUssen sich erst durch erneutes Hinsehen auf ihre Uhr davon Uberzeugen lassen,
dass die 6 Uberhaupt fehlt. So wenig Sicherhei t gibt selbst tausendfältige
Wahrnehmung, die n1cht vom Scheinwerfer des voilen Bewusstseins getroffen
wurde. lch sagte, der Phänomenologe bereichert die Welt. Wer sich einmal den
Reichtum der farbigen Phänomene klar gemacht hat, sieht die Welt bunter, er
gen1esst eine Fahrt durch den skärgården mehr als zuvor. Wer sich in die
Geschmacks- und Geruchswelt vertieft hat, kann die Essymphonie eines
schwedischen smörgåsbordet mehr wUrdigen. Aber es wäre natUrlich sehr
materialistisch gedacht, wollte man die Bereicherung der Welt durch den
Phänomenologen nur in der Welt der Sinnes suchen. Er leistet ganz die
entsprechende Arbeit in der Welt der GefUhle, der Vorstellungen und des
Willens. - Sie werden mich fragen: was tut der Psycholog, um der Phänomene,
von denen h1er die Rede 1st habhaft zu werden? D1e Antwort darauf ist: er
stellt diejenigen Bedingungen her, die fUr ihr Auftreten die gi.instigsten sind.
D1ese Bedingungen stnd teils innerlicher, teils äusserl1cher Natur. Auf die
inneren Bedingungen komme ich etwas später zu sprechen. Was die äusseren
Bedingungen angeht so kann man das Auftreten vieler Phänomene dadurch
fördern, dass man bestimmte Situationen experimentell schafft, unter denen ste
besonders deutlich werden. So kann man etwa eine Flächenfarbe, eine
Oberf lächenfarbe und eine Raumfarbe neben einanderstellen, die dieselbe
Farbenmaterie haben und s1ch in n1chts von einander unterscheiden als in ihrer
räumlichen Erscheinungsweise, sodass durch diese Kontrastierung ihre
Anerkennung erzwungen werden kann, Wir haben unsere Museen, wo die
Schausti.icke in mustergUltiger We1se die Erzeugnisse menschlicher Kultur
repräsent1eren. Wir haben zoologische Gärten, wo einzelne Tiere in Musterexemplaren
ausgestellt sind. Nun, in ähnlicher Weise können die Demonstrationsmittel
eines psychologischen Instituts dazu dienen, den Unerfahrenen
in die Welt der psychischen Phänomene einzufUhren. Naturlich mit Einschränkung,
denn so einfach es auch ist, die räumlichen Erscheinungsweisen der
Farben zu demonstrieren, so schwierig ist es, experimentell die Bedingungen
dafUr zu schaffen, dass jemand das reine Liebes-oder Eifersuchtsphänomen
erlebt. Manchmal wird der Phänomenolog bei seinem Bemi.ihen um Demonstrierung
komplizierter Phänomene den psychologischen DichterkUnstler einen
Shakespeare, einen Dostojewski um seine Hilfe bitten. Mit Absicht habe ich hier
den Phänomenologen in die Gesellschaft des KUnstlers gebracht. Ich möchte
nämlich die allgemeine These aufstellen, dass die Arbeit des Phänomenologen
vieles mit der des KUnstlers gemein hat.
Albrecht DUrer, der wie Lionardo da Vinc1 immer um die theoretische Einsicht
in das Wesen seiner Kunst bemi.iht war, at sich einmal dahin geäussert, dass der
Maler nicht die Schönheit schaffe, sondern in der Natur begegne und sie aus ihr
herausreisse. lch glaube, hierin liegt eine ganz teife Wahrheit. Und nicht nur
Di.irer sondern alle grossen KUnstler haben ja ähnliches behauptet, haben
behauptet, dass ihre Bilder nicht Willki.irschöpfungen seien, sondern die Natur
durch KUnstleraugen gesehen wiedergeben. Das haben besonders die Impressionisten
betont. Die kUnstlerische Transformation des Malers besteht in der
Herausarbeitung bestimmter Seiten des Sinneseindruck. Und so arbeitet auch
der Phänomenolog durch seine Analysen Musterphänomene des Bewusstseins
heraus. Diese Arbeit ist analytisch und schöpferisch zugleich. Dass sie auch
schöpferisch ist sol! einmal mit aller deutlichkeit gesagt werden gegeni.iber
denjenigen Opponenten der Psychologie, die ihr vorwerfen, ihre analytische
Arbeit sei rein destruktiver Natur. Die das sagen, könnten mit der Zeit in
Verdacht kommen, dass sie selbst das Dunkel lieben. Die analysierende
Tätigkeit des Phänomenologen ist nicht destruktiver als die analysierende
Tätigkeit des KUnstlers. Beide bauen mit der Analyse auf und bereichern die
Welt mit ihrer Arbeit.
Der Vergleich des Phänomenologen mit dem KUnstler el erlaubt noch von einer
anderen Seite Licht auf die phänomenologische Arbeit zu werfen. Bekanntlich
begegneten grosse Malerl
ihrer Umgebung. Warum? Weil der Ki.instler in seiner Sehweise dem Laien
voraus war. Infolge einer anderen inneren Einstellung, die durch i.ibung noch
gesteigert wurde, sah er die Dinge wirk!ich anders. Und der Laie musste zu
dieser Sehweise erst erzogen werden. Nun, wie der KUnstler so hat auch der
Phänomenolog eine andere innere Einstellung. Diese innere Einste!Jung macht
das aus, was ich fri.iher die gUnstigstens inneren Bedingungen fUr das Auftreten
und Erkennen der gesuchten Phänomene genannt habe und sie lässt sich nur in
jahrelariger Ubung erwerben. Die Erziehung zum Psychologen besteht darin, dass
man immer woeder durch i.ibung auf die wesentlichen Bewusstseinsphänomene
und auf das Wesentliche an den Phänomenen hingelenkt wird. Bei entsprechender
innerer Einstellung kann die Entdeckung der Phänomene ganz wesent!Jch
erleichtert werden durch die äussere experimentelle Zurichtung der Bedingungen,
von der fri.iher die Rede war.
Nun eine wichtige Frage: we!ches sind die Grenzen der phänomenologischen
Methode? Sie bestimmen sich durch die Tatsache, dass dieser Methode nur das
zugänglich ist, was sich im unmittelbarem Bewusstsein vorfindet. Wir wollen es
das Aktuell-Bewusste nennen. Das ist nicht wenig, aber es ist doch nicht alles,
wofUr der Psycholog interessiert ist. Denn er will Ja nicht nur wissen, was alles
auf der BUhne des Bewusstseins aktuell passiert, sondern er möchte auch etwas
davon erfahren, was sich hmter den Kulissen des Bewusstseins abspielt. Seine
Neugier erstreckt sich auch auf den Zusammenhang der einzelnen Querschnitte
des Bewusstseins. Jedes Bewusstsein hat seine Geschichte und diese Geschichte
findet ihren Niederschlag in Dispos1t10nen, die weiterhin den Bewusstseinsverlauf
mit bestimmen. Was unter emer Disposition zu verstehen ist lässt sich am
ehesten an denjenigen D1spos1t1onen klarmachen, die sich auf das Lernen
bez1ehen. Im Laufe des Lebens lernen wir enorm viel, fast alle Eltern, die
Kinder haben und sogar manche Pädagogen sagen, zu viel. Wir lernen lesen,
schreiben, rechnen usw. bis hinauf zu den Wissenschaften, die auf den
Universitäten behandelt werden. Durch diese Lernarbeit wird ein riesiger
Schatz von Dispositionen angehäuft, und alle diese Dispositionen bestimmen in
jedem Augenblick unseres wachen Lebens das mit, was sich wirklich in unserem
Bewusstsein abspielt. l'Jber die Wirkung dieser Tausenden, ja sagen wir getrost
Hunderttausenden von seelischen Dispositionen vermag nun die phänomenolog1sche
Methode keinerlei Auskunft zu geben, Sie kUmmert sich in keiner
Weise um psychologische Prozesse, deren Ort ausserhalb des Aktuell-Bewussten
zu suchen ist. Will man das Dispositionelle des Seelenlebens untersuchen, so
muss man sich einer ganz anderen Methode bedienen und zwar der experimentellen.
lch will an einem einfachen Beispiel den Unterschied zwischen
Aktuell-Psychischem und Dispos1tionell-Psychischem aufweisen und will an ihm
· ze1gen, wie das Experiment sich des Dispositionell Psychischen annimmt. Ich
entnehme das Beispiel der Gedächtnisforschung, d.h. demjenigen Gebiet, das
man wohl als das klassische der Exper1mentalpsychologie bezeichnen darf,
Nehmen Sie einmal an, Sie sollten sich etwas gedächtnismässig einprägen, etwa
ein Gedicht oder Geschichtszahlen oder Wörter einer fremden Sprache. Sie
w1ssen alle, wie einem bei solcher Arbeit zu Mute ist, die ja etwas
stumpfsinniges an sich hat. Man könnte sehr wohl die Arbeit selbst zum
Gegnstand emer phänomenolog1schen Studie machen, könnte z.B. die
Anstrengungen beschreiben, die man macht, um sich zu konzentrieren und wie
die Gedanken immer wieder abschweifen. Wie auch immer diese Beschreibung
ausfallen möge, sicher ist, dass wir den Erlehnungsprozess fUr abgeschlossen
halten, wenn wir unser Buch zuklappen und uns einer anderen Beschäftigung
zuwenden, die uns vielleicht mehr interessiert. Es wUrde kaum jemand auf den
Gedanken kommen, dass das was in der Zeit nach Einstellung der Bewussten
Lernarbe1t geschieht, noch irgendeinen Einfluss auf den Lerneffekt haben
könnte. Und doch ist das der Fall. Es wurde in einwandfreier Weise
experimentell nachgewiesen, dass das was im Bewusstsein unmittelbar auf die
bewusste Lernarbeit folgt, tatsächlich von sehr massgeblicher Bedeutung fUr
den Effekt der Arbeit ist. Es ist näml1ch so: wenn man der Lernarbeit - wir
wollen sie als die Arbeit a bezeichnen - erne andere geistige Arbeit b
nachsch1ckt oder wenn man im Anschluss daran etwas erlebt, was eine
schockart1ge Wirkung hat, so schädigt das den Lerneffekt ausserordentlich, ja,
manchmal wird der Lerneffekt dadurch geradezu vernichtet. Lässt man d agegen
der Lernarbeit a eine Pause folgen, m der das Bewusstsein von absichtlicher
geist1ger Arbeit freigehalten wird, so hat das auf den Lerneffekt einen
gUnstigen Einfluss, Man bezeichnet die ungUnstige Wirkung, die von der Arbeit
b auf die Arbeit a ausgeUbt wird, als die rUckwirkende Hemmung. Die gUnstige
Wirkung der Pause erklärt man sich so, dass s1ch während derselben gewisse
psychologische Prozesse im Gehirn abspielen - man nennt sie die konsolidierenden
Prozesse - die erst das Gelernte ganz zum Eigentum des Lernenden machen,
sodass er später darUber verfUgen kann. Die Theorie der rUckwirkenden
Hemmung hat auch eine Anwendung gefunden auf gewisse Fälle retrograder
Amnäsie, Es erleidet jemand einen unfall, stUrzt z.B. vom Pferd, und wird dabei
bewusstlos. Meist hat er dann nach der Erholung eine LUcke in seiner
Erinnerung fUr diejenigen Vorgänge, die dem Unfall ummittelbar verhergegangen
sind und sogar fUr den Unfall seJbst. Warum? Man erklärt es damit, dass
sich während der Bewusstlosigkeit nicht die konsolidierenden Prozesse
abspielen konnten. Das Gesetz von der rUckwirkenden Hemmung wurde so
gefunden, dass man glaichartige Lernarbeiten mitemander verglich, bei denen
einmal der Arbeit eine andere störende folgte, das anderemal eine Ruhepause.
Man variierte also, wie das 1mmer beim Experimentiernen der Fall ist, eine
Bedingung, während man alle anderen konstant hielt. Die rUckwirkende
Hemmung konnte nur durch eine Leistungsexperiment gefunden und in ihrem
Ausmass exakt bestimmt werden, Durch die phänomenologische Methode wäre
das nicht möglich gewesen. Was fUr den Fall der rUckwirkenden Hemmung gilt,
gilt ganz allgemein: wenn man das D1spositionell-Seelische w1rk1ich exakt
bestimmen will, muss man sich des Experiments bedienen. Und man hat sich
seiner in fruchtbarster Weise bedient. Man darf wohl mit Recht sagen, dass die
Psychologie erst durch das Experiment zum Rang eiener exakten Wissenschaft
erhoben worden ist.
Der experimentellen Psychologie lieferte die experimentelle Naturwissenschaft,
vor allem Physik und Chemie, das Vorbild, dem sie bei ihrer Arbeit
nachstrebte. Aber so gJUcklich dieses VorbiJd sich hinsichtlich der Methode
erwies, so wenig gJUcklich erwies sich die Ubertragung einer Denkweise aus den
Naturwissenschaften, die der PsychoJogie ntcht adäquat war. Ich meine das
Denken, das man als atomistich beze1chnet. Was das heisst, wird sich aus der
Besprechung der physiologischen Methode ergeben, der w1r uns Jetzt als dem
letzten Teil der Vorlesung zuwenden.
Zur ErkJärung der rUckwirkenden Hemmung bet unserem Lernexperiment zogen
wir die konsolidierenden Prozesse heran, die physiolog1scher Natur sem sol! ten.
Wir sind damit auf eine erste Probe physiologischer Psychologie gestossen. Ein
psychologischer Vorgang wird nicht mehr rein psychologisch, sondern
physiologisch erklärt. Und so verfährt die physiologische Psychologie immer, s1e
gibt physiologische ErkJärungen fUr psychoJogische Vorgänge. Nun kann man
fragen: ist das Uberhaupt zulässig oder unter welchen Umständen ist es
zulässig?
Dass engste Beziehungen zwischen phys1ologischen Vorgängen und psychologischen
bestehen, ist nicht zu bezweifeln. Nur nach Ansicht von Spiritisten
kommen psychische Phänomene vor, die nicht an einen Leib gebunden sind. Die
Abhängigkeit des Bewusstseinsprozesse von körperlichen Prozessen offenbart
sich sehr vieJfältig. Welche SinneseindrUcke etn Wesen hat, bestimmt s1ch
danach, mit welchen Sinnesorganen es ausgestattet ist. Sinnesdefekte haben die
entsprechenden Bewusstseinsausfälle zur Folge. Eine andere Abhängigkeit vom
Leib äussert sich in unserem Tr iebleben. Hunger und Durst folgen in ihrem
Kommen und Gehen dem Rhythmus des Stoffwechsels. Es wUrde uns nicht in den
Sinn kommen, Hunger und Durst rein psychisch zu erkJären, Auch die
Genussmi ttel und Genussgifte wirken durch das zentraJe Nervensystem auf das
Bewusstsein. Es wUrde sich komisch anhören, wUrde man sagen, dass der Alkohol
direkt unsere Seele lustig oder der Kaffee sie geschwätzig macht. Der Aufbau
des zentralen Nervensystems spricht dafUr, dass alle physiologischen Vorgänge,
die uberhaupt den Bewusstsemsverlauf mitbestimmen sollen, das Gehirn treffen
und die sogenannten terminalen oder psychophysischen Prozesse in der
Hirnrinde beeinflussen mussen. Der psychophysische Parallelismus den man
wohl als die zweckmässigste Arbeitshypothese bezuglich des Leib-SeeleVerhältnisses
bezeichnen kann, nimmt fur alle Bewusstseinsprozesse physiologische
Korrelate an, w1e fluchtig und kompl1ziert jene auch sein mögen. Die
phys1ologische Psychologie sieht es nun gerade als eme ihrer wichtigsten
Aufgaben an, uber diese physiolog1schen Prozesse bestimmte Aussagen zu
machen und mit ihrer Hilfe die Bewusstseinsvorgänge zu erklären. Es liegen
ganze Systeme von Versuchen, vor, das Seelenleben physiologisch zu erklären.
Rucksichtlich dieser Systeme wage ich nun die Behauptung aufzustellen, dass
s1e be1 dem derzeit1gen Stand der Psycholog1e alle als unzutreffend bezeichnet
werden muessen und weiter möchte ich die Auffassung vertreten, dass das
Verhältn1s zwischen Phys1ologie und Psychologie Uberhaupt nicht richtig
gesehen worden ist. lch glaube nämlich, fUr absehbare Zeit, wenn nicht fUr
immer wird das Verhältnis zwischen Psychologie und Phys1ologie so bleiben,
dass die Psychologie zur Deutung geh1rnphys1ologischer Prozesse beitragen
kann, aber nicht umgekehrt. Diese beiden Thesen sollen uns noch kurz
beschäftigen. Wir beginnen mit dem Nachweis, dass die herrschenden
Vorstellungen Uber die Funkt1onswe1se des Geh1rns unzulänglich fUr die
Deutung der Bewusstseinsprozesse sind. Auf die Frage, warum das so ist, kann
mit einem kurzen Satz geantwortet werden: weil man sich das Funktionieren
des Gehirns summativ-mechanisch vorstellte, während es in Wirklichkeit
ganzheitl1ch organisch erfolgt. Was heisst das?
lch erwähnte bere1ts frUher, dass von den Naturwissenschaften her die
atomistische Denkwe1se ihren Einzug in die Psychologie gehalten hat, d.h. die
auf Demokrit zurUckgehende Vorstellung, dass sich alles Geschen in der
materiellen Welt erklären lasse, wenn man annehme, dass die Materie aus
kleinsten Teilchen bestehe, zwischen denen als Kraftzentren gewisse Wirkungen
ausgeubt wUrden. Noch mehr als die Psychologie hatte die Physiologie sich
emer solchen Denkweise erschlossen. Die atomistisch- mechanische Denkweise
stellte die Physiologen vor die Aufgabe, die letzten physiologischen Einheiten
und ihre Funktionsweise aufzuspUren, und nachdem diese analytische Arbeit
durchgefUhrt war, die Funkt10nsweise des ganzen Organ1smus aus den
Elementen mechanisch aufzubauren. Als eme solche letzte physiologische
Einhe it wurde z.B. der Reflexbogen angesehen, der aus ernem Aufnahmeapparat
dem Rezeptor und einem Endapparat, dem Effektor besteht, mit einer zwischen
beiden eingeschalteten Nervenstrecke. Die gesamte Tätigkeit des Organismus
soll nun durch das mechanische Zusammenwirken erner grossen Anzahl solcher
Reflexbogen verständ!Jch zu machen sein. Am konsequentesten ist diese Ansicht
von dem kUrzl1ch verstorbenen russischen Physiologen Pavlov vertreten worden.
!hm zufolge ist das ganze menschl1che Leben mit all seinen religiösen,
weltanschaulichen und politischen Verstrickungen nichts als ein Miteinander
und Gegenemander von bedingten und unbedingten Reflexen. D1ese Auffassung
ist streng mechanist1sch, es wird eine starre, feste Zuordning bestimmter
Reaktionsweisen zu best1mmten Reizsituationen angenommen, und im
Zusammenhang damit feste Lokalisat1onszentren im Gehirn fur die motorischen
und zensorischen Vorgänge. Zwar haben nicht alle Physiologen das Pavlovsche
Schema fur die Erklärung des menschlichens Verhaltens angenommen, aber
prmzipiell wurden ähnliche atomistisch-mechans1che Ansichten Uberall in der
Physiologie und damit auch in der physiologischen Psychologie vertreten. Diese
Auffassung nun 1st es, gegen die sich die Kritik der letzten Jahre gewandt hat
und die Kritik scheint mir durchschlagend zu sein. Es ist nicht möglich, alle
Tatsachen zuzufi.ihren, die zum Zusammenbruch der alten Ansicht gefi.ihrt
haben, denn das hiesse die Geschichte der Physiologie und Psychologie der
letzten Jahrsehnte darstellen. Ich muss mich vielmehr auf die Mitteilung
einiger weniger Entdeckungen beschränken, die zum Zusammenbruch der alten
Vorstellungen der physiologischen Psychologie gefUhrt haben. lch gebe zunächst
den Physiologen das Wort. Der Physiolog Paul Weiss widerlegte die alte
Lokalisationstheorie durch seine Versuche mit tierischen Chimären. Er pflanzte
Tieren, z.B. Molchen, neue Gliedmassen ein. Die Nerven dieser Gliedmassen
wuchsen von der peripherie in die proximalen Nervenstämme in absolut
unregelmässiger Weise hinein, und doch zeigten diese Kunstglieder einwandfreie
Bewegungskoordinationen. Mit der alten Auffassung von einer festen
Lokalisation motorischer und sensorischer Funktionen war dieser Effekt
unverträglich. Auch der Physiolog Bethe wurde durch Experimente an Tieren zu
der Uberzeugung gefUhrt, dass die alte Lokalisat10nstheorie unhaltbar sei. Wenn
man Tieren Gliedmassen amputiert, so vermögen sie sich sofort nach Heilung
der Wunden unter Benutzung der ihnen verbliebenen Gliedmassen in ueberaus
zweckmässiger Weise zu bewegen. Dabei werden aber diese Gliedmassen aber in
ganz anderer Weise und in völlig anderen Kombinationen als frUher betätigt.
Das ist garnicht zu verstehn von den al ten Anschauungen her Uber die
Lokalisation sensorischer und motorischer Funkt10nen. Vielmehr wird aus diesen
Experimenten ganz deutlich, dass die Funktionsweise der einzelnen Organe
völlig bestimmt wird durch die biologischen BedUrfnisse des ganze Organismus.
Der Organismus baut s1ch in geradezu schöpferischer Weise aus dem Rest der
ihm zur VerfUgung stehenden Hilfsmittel ein neues lnstrumentarium auf.
Vielleicht werden sie sagen, dass der Tierversuch nichts fi.ir den Fall des
Menschen Beweist Formell könnte man darauf erwidern, dass die alten
Vorstellungen noch viel mehr beim Menschen versagen mUssen, wenn sie schon
bei vielen niedriger stehenden Tieren versagen. Aber wir brauchen nicht bei
einer solchen formellen Widerlegung des Einwandes stehen zu bleiben.
Beobachtungen am Menschen fUhren nämlich zu denselben Folgerungen. Da sind
zunächst die Erfahrungen, die man beim Menschen machte, denen Glieder
am·putiert werden mussten. Auch sie stellen sich Uberraschend schnell um,
schneller als mit der Lokalisationstheorie verträglich ist. Noch wichtiger sind
tur die Widerlegung der alten Vorstellungen Pavlovscher Art die leider so
zahlreichen Erfahrungen, die man während des Krieges an Soldaten machen
konnte, die eine Gehirnverletzung erlitten hatten. Es zeigte sich zwar, dass im
grossen Ganzen einer Zerstörung von sensorischen und motorischen Zentren ein
entsprechender Ausfall senorischer und motorischer Leistungen entsprach, aber
Uber diese grobe Zuordnung hinaus versagten alle anderen Angaben eine
feinere Zuordnung der anatomischen Befunde und des Verhaltens der Gehirnverletzten.
Gerade die Beobachtungen an Gehirnver letzten waren es, die ebenso
wie die Tierversuche zu der Auffassung fUhrten, dass das Gehirn als ein Ganzes
funktioniert, dass man die Funktionen der einzelnen Teile nicht einfach
summieren darf, dass das Ganze, in das die Einzelfunktionen eingebettet sind,
bestimmt, wie die Teile arbeiten. Man bezeichnet diese Auffassung als die
Ganzheitliche und stellt sie in Gegensatz zu der atomistischen. Eine Richtung
innerhalb dieser ganzheitlichen Auffassung ist die der sogenannten Gestaltschule.
Diese Schule wird nicht mUde zu betonen, dass das Ganze mehr ist als
die Summe seiner Teile. Sie ist von psychologischen Erfahrungen ausgegangen
und hat diese dann auf die Physiologie zu Ubertragen versucht. Auf die
besonderen Annahmen der Gestaltschule soll hier nicht emgegangen werden.
Was ihre Ablehnung des atomistischen Standpunktes angeht, wird diese jetzt von
78
allen Psychologen geteilt. Damit werden die alten Auffassungen der physiologischen
Physiologie aufgegeben. Es wäre nämlich ern grosses Missverständnis,
wollte man daraus ableiten, dass Uberhaupt keine physiologischen Korrelate fur
die ganzhe1tlichen Bewusstseinsvorgänge angenommen wUrden, vielmehr ist es
so, dass man nur nach neuen Modellen physiologischer Art fur diese suchen
muss. t:Jber erste Absätze zu solchen Modellen 1st man vorerst nicht
hrnausgekommen, Es sind die Gestaltpsychologen gewesen, die s1ch in erster
Lrnie um die Gewinnung neuer Hypothesen Uber die gehirnphysiologischen
Vorgänge bemUht haben. Doch erinnert ihre Hypothesenbildung einwenig an die
Arbei t, die jemand leistet, wenn er ein wissenschaftliches Werk aus einer
Sprache in eine andere Ubersetzt. Wer ern deutsches Werk in das schwedische
Ubersetzt, hat damit kerne Erklärung tur das deutsche werk gegeben, sondern er
hat gUnstigstenfalls die Gedanken des deutschen Autors noch einmal in einem
anderen Sprachgewand wiedergegeben. So kann man sich auch nicht ganz des
Eindrucks erwähren, dass in den von der Gestaltpsychologie aufgestel!ten
Hypothesen, die sich auf das psychophysische Geschehen beziehen, dass, was
man psychologisch festgestellt hat, noch ernmal und zwar mit physiologischen
AusdrUcken gesagt worden 1st. Und dam1t komme ich auf die frUher aufgestellte
These, dass man das Verhältn1s zw1schen Physiologie und psychologie, soweit es
sich um Vorgänge in der Hirnrrnde handelt, wahrscheinlich Uberhaupt wird
umkehren mUssen. Nach meiner Uberzeugung kann das psychologische
Geschehen nicht durch das physiolog1sche gedeutet werden, sondern es gilt das
Umgekehrte. Wir kommen vorläufig garnicht an das psychophysische ...
Literature
Katz, D. Frågor rörande den psykologiska metodiken. Opublicerad installationsföreläsning, 1937.
Publicerad:
Katz, D. Frågor rörande den psykologiska metodiken. 19 februari 1937. I Lindberg, L. & Berge, B.-M Pedagogik som vetenskap – vetenskap som pedagogik. Installationsföreläsningar i pedagogik 1910 – 1982, 71 – 79.
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